Wie habe ich meinen Herrn anzusprechen und wie erweise ich ihm den Respekt, der ihm gebührt – Eine Fallstudie

Einleitung

Schon im 12. Jahrhundert wurden Mitglieder des Hofstaates der Adelshäuser mit speziellen Titeln angesprochen. Diese Anrede verbreitete sich in den folgenden Jahrhunderten allerdings auch in den niederen Bevölkerungsschichten, wobei die alltägliche Verwendung, der eigentlichen Ehrerbietung nun nicht mehr gerecht wurde.

In den letzten 200 bis 300 Jahren setzte sich das Siezen vor allem als höfliche Anrede fremder oder unvertrauter Personen durch. Das Siezen kann sogar gezielt eingesetzt werden, um Distanz zwischen Personen und inhaltliche oder persönliche Abkehr zu demonstrieren. Im Gegenzug dazu kann die Du-Form neben Vertrautheit oder enger Verwandtschaft auch Achtung und Ehrerbietung zum Ausdruck bringen.

In der heutigen Gesellschaft hat sich das „Du“ selbst im beruflichen Kontext fast völlig durchgesetzt, vor allem in Unternehmen, in denen das Arbeiten auf Augenhöhe zwischen allen Ebenen gefördert wird. Dies führt dazu, dass Berufseinsteiger, beispielsweise Jungakademiker, die Sie-Form im Alltag kaum noch verwenden.

Studien haben allerdings auch gezeigt, dass gerade diese Individuen häufig eine BDSM Beziehung eingehen, in deren Rahmen ein Machtgefälle integraler Bestandteil ist.

In dieser Studie sollte folglich untersucht werden inwiefern erworbene Gewohnheiten, die Ansprache eines Zweiten betreffend, nachhaltig beeinflusst werden können.

Material und Methoden

Zur Gewinnung erster Studienergebnisse wurde eine typische Paarkonstellation der BDSM Szene ausgewählt: Eine unerfahrene Submissive in Kombination mit einem erfahrenen Dominantem.

Nach dem ersten Spieltermin erhielt die Sub die Aufgabe den dominanten Part zu siezen und mit „mein Herr“ anzusprechen, um ihren Respekt zu bekunden.

Zur Auswertung wurden nur Aufzeichnungen der schriftlichen Kommunikation herangezogen.

Ergebnisse und Diskussion

Die hier durchgeführte Fallstudie offenbarte wenig zufriedenstellende Ergebnisse. Während nach Aufforderung das Siezen aufrechterhalten wurde, rutschte die Submissive nach einiger Zeit immer wieder in die häufig genutzte Du-Form zurück.

Vor allem wenn die Gesprächsthemen stark variierten erschien es ihr kaum möglich, bei der Sie-Form zu bleiben, da diese Distanz erzeugt, wohingegen in dieser Beziehung doch Vertrautheit an erster Stelle stehen sollte.

Gleichzeitig erwies sich der ständige Wechsel zwischen sexuell motivierter Kommunikation und freundlichem Gespräch als sehr schwierig für die Submissive, da es ihr elementar wichtig ist auch eine freundschaftliche Beziehung zum Dominanten aufzubauen.

Die Submissive bemühte sich stets die Anrede einzuhalten, war aber sehr traurig, wenn es nicht funktionierte und geahndet wurde. Die Submissive hat einen starken Will-to-Please und möchte dem Dominanten gefallen. Sie versteht, dass es zum Spiel gehört und ein integraler Part für den Dominanten ist, daher bemüht sie sich weiterhin diesen Wunsch zu erfüllen.

In erster Linie ist die Submissive aber auch überzeugt davon, dass sie sich dem Dominanten gegenüber noch nie respektlos verhalten hat und auch mit einem „Du“ das Machtgefälle aufrechterhalten werden kann.

Das Androhen von Strafe führt eher dazu, dass die Submissive sich nicht mehr traut mit dem Dominanten außerhalb von Session zu kommunizieren. Daten im Rahmen der sexuellen Begegnung konnten bisher noch nicht ausreichend gewonnen werden. Die Submissive ist sich aber sicher, dass sie hier nicht aus der Rolle fallen wird.

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